NEWS | 2023-06-09
»Nate?«
Ein unwilliges Brummen.
»Was hast du genommen?«
Nathanyel reagierte nicht. Stattdessen senkte er das Kinn auf die Brust und stierte ihn von unten herauf an.
»Nate …«
»Versssschwinde.« Taumelnd trat Nathanyel einen Schritt vor, aber Riley versperrte ihm den Weg.
»Ich will wissen, was du dir reingepfiffen hast.«
»Dasss geht dich nichtsss an.«
Riley atmete tief durch. »Okay, wenn du meinst«, sagte er schließlich, » … aber ich denke, wir haben da noch etwas zu klären.«
Nathanyel schnaubte spöttisch. »Ich hab mit dir nichtsss mehr zu kläären …«, lallte er kaum verständlich und seine Augenlider flatterten träge. »Verräter.«
Letzteres war nur geflüstert. Ausgespien voller Abscheu, aber Riley vernahm es dennoch.
Ja und genau darum geht es.
Er hatte damit gerechnet, dass Nathanyel jenes Wort für ihn benutzen würde. Schließlich war es ihm selbst trotz aller Erklärungen für sein eigenmächtiges Handeln immer wieder in den Sinn gekommen, doch entgegen seinem eigenen Vorhaben erkannte er in diesem Moment auch, dass ihn Nathanyels gegenwärtige Verfassung Schachmatt gesetzt hatte. In dieser Nacht würde er gar nichts klären können.
Verstohlen musterte er den Verband. Der desolate Zustand ließ vermuten, dass die Mullbinde nicht ein einziges Mal gewechselt worden war, was die Versorgung der Wunde sicherlich mit einbezog.
»Soll ich dir den Verband neu anlegen?«
»Nein«, kam die Antwort um einiges verzögert. Nathanyel geriet erneut ins Straucheln. Was auch immer er eingenommen hatte, es raubte seinen Beinen offenbar die Kraft, sein Gewicht länger als ein paar Minuten zu tragen.
Rasch trat Riley vor, um den drohenden Sturz abzufangen, doch Nathanyel stieß ihn von sich weg und suchte stattdessen Halt am Türrahmen des Badezimmers.
»Lasssss mich«, flüsterte er kaum hörbar, während er mit geschlossenen Lidern die Stirn gegen die Zarge lehnte. Schweiß glänzte auf seiner Haut und ließ sein dunkles Haar feucht und strähnig werden.
Bei seinem Anblick schob sich unvermittelt die weniger schöne Vorstellung einer Blutvergiftung in Rileys Bewusstsein.
»Vielleicht brauchst du einen Arzt«, sprach er vorsichtig seinen Gedanken aus, doch Nathanyel fuhr ihm überraschend schnell ins Wort.
»Nein.« Er schüttelte den Kopf und wankte die wenigen Schritte zu seinem Zimmer hinüber. »Ich töte dich, wenn du einen Arzt in dieses Haus holst.« Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und die Verriegelung klickte vernehmbar.
_________________________
Der steinerne Garten Vol. II | vollständig überarbeitete und erweiterte Version
Content-Notes: verbale, körperliche und sexuelle Gewalt; Queer-Feindlichkeit; Homophobie; Glücksspiel; körperliches Handicap; detaillierte Sex-Szenen; Schusswaffen; Bodyshaming (angedeutet); organisiertes Verbrechen; Homo- & Bisexualität; Entführung; Drogenmissbrauch & kalter Entzug; selbst verletzendes Verhalten; Tod; Coming Out; Hochbegabung; Diskriminierung; Autismus.