NEWS | 2024-10-01
Letzten Sonntag wurde neu bei BOOKOPOLY gewürfelt und Irvin L. Kendall hat mir eine Aufgabe gestellt, bei der sich alles in mir sträubt, diese nach Anweisung auszuführen.
»Schreibe einen kurzen Chat mit einem deiner Protagonisten. Das Thema ist dir freigestellt, stell dir nur vor, dass du zu Hause an deinem Arbeitsplatz sitzt, während dein Prota irgendwo durch die Weltgeschichte gurkt und sich via Messenger oder WhatsApp bei dir meldet.«
Vor ein paar Jahren kam es häufiger vor, dass Autor*innen Interviews mit den Protagonist*innen ihrer Bücher geführt haben. Ich muss gestehen, dass das immer arg befremdlich für mich war. Ich konnte diese Beiträge auch nicht lesen. Mein Real Life mit der Fiktion meiner Bücher fusionieren zu lassen, fühlt sich für mich einfach extrem weird an und obwohl ich mich mit einem meiner Hauptprotagonisten zu 90 % identifiziere, will ich diese beiden Bereiche voneinander getrennt wissen.
Was also tun? Irvin meinte, die Auslegung der Aufgaben kann man grundsätzlich auch etwas ausdehnen und sie anderweitig interpretieren. Hier beispielsweise über einen Chat, der bereits im Buch nachzulesen ist. Das scheint dann wohl für mich die geeignete Lösung zu sein. ^^
Ich poste daher einen SMS-Chat aus DstG Bd.1., in welchem sich Riley Buchanan wiederholt über die für ihn doch recht seltsame Art seines ehemaligen Mitbewohners Nathanyel Pritchard wundert … und auch ein Stück weit daran verzweifelt. Um den Inhalt des Chat zu erklären, muss ich allerdings etwas weiter ausholen.
»Ich muss nach Schottland.«
»Schön für dich«, stieß Riley hervor und bemühte sich sehr, seine umgehend einsetzende Verwunderung über diese Information zu verbergen. Er begann den Türknauf zu drehen.
»Ich brauche einen Fahrer.«
Genervt schloss Riley die Augen, dann wandte er sich ein weiteres Mal um und fixierte Nathanyel mit hartem Blick.
Oh wie ich dich doch hasse.
Er schluckte trocken.
Und dich begehre. Shit.
»Warum fährst du nicht selbst? Dass du es kannst, hast du ja neulich erst unter Beweis gestellt.«
»Ich brauche einen Fahrer«, wiederholte Nathanyel und seine hellen, flackernden Augen schafften es, ihn dennoch eindringlich anzusehen.
Riley atmete tief durch. »Dann wende dich an ein Fahrunternehmen hier in Brighton.«
»Ich möchte aber, dass du fährst.«
Fassungslos schüttelte Riley den Kopf. »Was willst du eigentlich, Pritchard? Was willst du von mir?«, rief er aufgebracht.
Ich war bereit, du Arsch. Ich hätte mich auf dich eingelassen, trotz dieser ganzen schwulen Scheiße, weißt du das eigentlich?
Nathanyel warf rasch einen prüfenden Blick die Treppe hinauf, ehe er sich ihm wieder zuwandte. Seine Lippen zuckten nervös. »Ich habe es noch nicht oft getan«, sagte er leise.
»Was?«
»Für Sex bezahlt.«
Oh Gott. Fang nicht schon wieder damit an, Pritchard.
Riley stieß die Luft aus. »Das interessiert mich nicht mehr.« Wütend sah er ihn an. »Ehrlich gesagt kannst du machen, was du willst! Und du kannst auch vögeln, mit wem du willst! Es ist mir scheißegal!«
Nathanyel blinzelte. »Es war nicht so, wie ich es erwartet habe«, sagte er, gänzlich unbeeindruckt von Rileys Gefühlsausbruch. »Fährst du mich?«
Stille trat ein. Riley starrte ihn an. Er konnte es nicht glauben. Hörte Nathanyel ihm eigentlich nie richtig zu? Er wurde aus diesem Kerl einfach nicht schlau. Eben noch hatte er ihn blutig gebissen und überdies fast zugelassen, dass ihn die Bullen einbuchteten und jetzt wollte er, dass er ihn quer durch Großbritannien chauffierte!
Verschwinde, Buchanan. Er ist schwul, du bist es nicht. Vergiss ihn.
Es war Irrsinn zu denken, dass es zwischen ihnen beiden jemals in irgendeiner Weise funktionieren würde. Sie waren einfach zu verschieden. Was Nathanyel offenbar an Gefühlen fehlte, hatte Riley in jedem Fall zu viel. Irgendwann würde einer von ihnen den anderen umbringen. Ganz sicher.
»Ich halte das für keine gute Idee«, sagte Riley tonlos und spürte seine innere Zerrissenheit einmal mehr. Er merkte, wie Nathanyel ihn beobachtete, doch er sah ihn nicht an. »Weißt du … Ich bin in dieser Nacht durch dieses verfickte Unwetter gefahren, nur um zu verhindern, dass du dir den Schädel wegpustest. Wenn kein Zug gefahren wäre, wäre ich die ganze Strecke sogar mit dem Fahrrad gekommen, nur um dich davon abzuhalten.« Sein Blick verdüsterte sich. »Jetzt hast du es geschafft, dass ich dir das nächste Mal persönlich die geladene Knarre in die Hand lege. Du Scheißkerl.« Er öffnete die Tür. Es hatte aufgehört, zu regnen, und der Morgen graute. »Übrigens … Sollte dir noch mal der Gedanke kommen«, sagte er ruhig, »… die Waffe liegt unter deinem Bett.«
Nathanyel legte den Kopf in den Nacken, schwieg jedoch.
Riley wandte sich ab und ging auf dem vor Nässe schmatzendem Schotterweg zu seinem Rad.
»Riley.«
Eigentlich wollte er es vermeiden, ihn noch einmal anzusehen.
Wo wären wir jetzt, wenn du mich nicht gebissen hättest. Was hätten wir getan? Sollte ich dir am Ende dafür dankbar sein?
Nathanyel holte tief Luft. Offenbar fiel es ihm schwer, zu sagen, was ihm gerade durch den Kopf ging. »Danke, dass du mich retten wolltest.«
Riley stieß spöttisch die Luft aus. »Vergiss es. Das wird nicht nochmal passieren.« Er trat in die Pedale und verließ das Grundstück. Der feuchte Sattel durchnässte seine Hose, aber das war ihm egal. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander wie Mais in einem Popcornautomaten, während er die Straße in Richtung Preston-Park-Station hinunterfuhr. Er war wütend, bloß sollte er nicht eigentlich erleichtert sein, dass nun alles endlich vorbei zu sein schien?
Trotzig verengte er die Augen, als er daran zurückdachte, dass Nathanyel es beinahe zugelassen hatte, dass die Bullen ihn mitnahmen. Er hatte es sichtlich genossen mit dem Gedanken zu spielen ihn auszuliefern; hatte ihn letztendlich allerdings auch davor bewahrt.
Riley verzog missmutig das Gesicht. Es widerstrebte ihm enorm, Nathanyel dafür dankbar zu sein. Er hatte ihn erneut zurückgestoßen und die Enttäuschung darüber hatte Riley tiefer getroffen, als er es erwartet hätte.
Mit quietschenden Reifen hielt er vor dem Bahnhofsgebäude an, schulterte sein Rad und stieg die Treppen hinauf. Ein Blick auf seine G-Shock verriet ihm, dass es erst halb sieben war. So viel geballter Mist in so kurzer Zeit.
Er zog ein Ticket und ließ sich auf eine Bank fallen. Mit geringfügigem Interesse schaute er sich um. Auf dem Bahnsteig war kaum etwas los. An diesem trüben Oktobersamstag zog es deutlich weniger Menschen zur Arbeit. Es war merkwürdig, er empfand überhaupt gar kein Müdigkeitsgefühl, obwohl er seit gestern Morgen auf den Beinen war. Die Ereignisse der letzten Stunde wirkten wie ein Aufputschmittel.
Ich könnte jetzt auch bei den Bullen sitzen. Auf einem verdammt harten Stuhl.
Die Erregung, die er immer noch bei der Erinnerung an die vergangenen Stunden verspürte, klang nur langsam ab. Aufgewühlt schob er sich einen Kaugummi zwischen die Zähne und ließ seinen Blick über die wenigen mit ihm wartenden Fahrgäste schweifen. Gleich darauf spürte er ein sanftes Vibrieren. Er zog das Handy aus der Jackentasche und sah auf das Display. Es war eine SMS von Nathanyel. Er starrte auf den Namen, als ob er sich eine Krankheit einfangen würde, sobald er die Nachricht öffnete.
Was kann er jetzt noch wollen?
Er blies eine Blase und ließ sie zerplatzen. Umgehend forderte seine malträtierte Lippe ihren Tribut. Schmerzerfüllt zuckte er zusammen.
Sieh nach, dann weißt du es, oder?
Er holte tief Luft und aktivierte den dunklen Bildschirm.
DIENSTAG 11 PM BEI MIR? N.L.P.
Riley ließ den Kopf in den Nacken fallen und schloss genervt die Augen. Er konnte es nicht glauben. Das Handy vibrierte erneut in seiner Hand. Stirnrunzelnd öffnete er auch die zweite SMS.
ICH BESORGE AUCH DEN WAGEN. N.L.P.
An welcher Stelle habe ich mich eigentlich missverständlich ausgedrückt?
Aber wunderte es ihn tatsächlich, dass es Nathanyel entgangen war, wie zornig er auf ihn war? Riley beugte sich nach vorne und fuhr sich mit den Fingern in die Haare.
›Sie sind wütend. Ich verstehe nicht, warum.‹
Wann verstehst du auch mal was von Gefühlen, Pritchard?
Er versuchte für einen Moment, an gar nichts zu denken, doch es gelang ihm nicht. Ratlos rieb er sich durch das Gesicht und starrte auf den schmutzigen Steinfliesenboden. Wieder erklang das leise Vibrieren. Er entsperrte das Display ein weiteres Mal.
SAG JA. N.L.P.
Sag ja …
Vielleicht konnte er die Fahrt auch nutzen, um sich über einiges klar zu werden.
Also gut. Wenn er mir aber wieder blöde kommen sollte, hau ich ihm nochmal eine rein. Und dann wird es mir nicht leid tun.
Er tippte auf das Antwortsymbol.
11 PM. UND DEN WAGEN BESORGE ICH.
Er misstraute Nathanyel mehr denn je.
Ein Rauschen auf den Gleisen kündigte den herannahenden Zug an. Riley stand auf und griff nach seinem Rad. Während er zum Bahnsteigrand schlenderte, spürte er an seiner Brust Nathanyels Antwort eintreffen.
Er hat nicht eine Sekunde daran geglaubt, dass du bei deinem Entschluss bleiben würdest.
Riley hob sein Rad hoch, als sich die Türen öffneten.
Nun … ich auch nicht.
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© Jayden V. Reeves | Der steinerne Garten Bd. 1
Da ich den ersten Band gerade grundlegend überarbeite, an dieser Stelle noch eine kleine Work-Process-Info: An dieser Szene musste ich tatsächlich nur sehr wenig verändern. ^^
Euer Jay xxx