
NEWS | 2025-05-11

»Deine Aufgabe lautet:
Der erste Satz / Absatz ist ein Mythos.
Poste den ersten Absatz eines deiner Bücher und erläutere, warum du ihn so geschrieben hast.
Oder referiere über den „Mythos erster Satz“. Was hältst du davon? Denkst du, der erste Satz ist wirklich entscheidend?«
Das glaube ich allerdings. Und ich denke, dass diese Aufgabe in der Falschen Straße liegt, denn es handelt sich hier um keinen Mythos. Wenn ein:e potentielle:r Leser:in durch das Cover angefixt wurde, ist der zweite Eindruck maßgeblich, um ihn/sie an das Buch zu binden. Und das macht man selbstverständlich über den ersten Satz. Fact. Keine:r bleibt hängen, wenn er/sie schon von der ersten Zeile an gelangweilt wird. Der erste Satz ist mein Angelhaken.
Ich persönlich liebe es, einfach in die Szene einzusteigen. Ich mag dies zu lesen, als auch, es selbst zu schreiben. Ich liebe Prologe. Und diese schreibe ich grundsätzlich in Ich-Erzählform. Ich folge meinem Bruder in eine Dickicht aus Rhododendron-Büschen und spüre die Angst, da ich nicht weiß, wohin dieser mich führen wird. Oder ich erlebe den Tod in den ersten Zeilen, erlebe, wie ich von traumgleichen Erinnerungen ins Nichts gesogen werde … und mich aufzulösen beginne.
Im ersten Kapitel tauche in die eigentliche Handlung ein, und stehe von jetzt auf gleich neben dem Bett meines Protagonisten und schaue zu, wie dieser nach einer durchzechten Nacht aufwacht. Oder ich lehne mit ihm an einem Balkongeländer und beobachte, wie die Sonne allmählich im westlichen Irland aufgeht und die Schatten der Nacht aus der erwachenden Natur vertreibt. Oder ich sitze plötzlich auf dem Bett und höre zu, wie sich Bruder und Schwester unterhalten, während sie ihn zum Ladyboy schminkt.
Der erste Satz ist entscheidend – und ich gehe sogar noch weiter. Der erste Absatz ist entscheidend. Und das ist er immer wieder. In jedem Kapitel. Warum? Weil es auch Buchabbrecher gibt. Da sind meist die Passagen im Buch schuld, in denen es stiller zugeht, indem Protagonisten versuchen, mit ihrem Leben klarzukommen, in denen sie nachdenken und Schlüsse ziehen. Auch diese Absätze sind selbstverständlich wichtig, denn sie verbinden die Szenen, in denen sich die Geschichte bewegt. Sie bewegen auch etwas – nur nicht ganz so offensichtlich. Deshalb ist es maßgeblich, dass man seine Leser:innen immer wieder einfängt, sie neugierig macht, sie mit der Geschichte euphorisiert, sie abhängig macht – dass sie „das Buch nicht mehr aus der Hand legen können“.
Gut geeignet ist übrigens die wörtliche Rede. Man hört jemandem zu, wenn dieser beginnt zu sprechen. Und folgt ein Dialog, will man weiter zuhören. Das kann man allerdings nicht immer machen. Durch das direkte Einsteigen in die Szene, muss es mir gelingen, kryptisch zu bleiben, um die Neugierde und das Interesse aufrecht zu erhalten. Nicht gleich alles verraten. Seitenlange Einleitungen langweilen. Kennt Ihr selbst, oder?
Jede Woche gibt’s einen weiteren Post auf meiner Autorenseite auf Facebook unter dem Hashtag #bookopoly. Dort könnt Ihr auch die Beiträge der anderen Autor:innen entdecken. ^^
Euer Jay xxx